Montag, 21. Juli 2008

Mittwoch, 16. Juli - Montag 21. Juli VLADIVOSTOK - Face the ocean - mit dem Kopf durch die Wand !



Wir werden es niemanden verdenken, wenn er die folgenden Zeilen ins Reich der Bikerannekdoten abtut und sagt :"So etwas gibt es nicht !"

Vielleicht haetten wir selbst nicht geglaubt, was passiert ist. Wenn wir (und vor allem Baba ) es nicht am eigenen Leib erlebt haetten.

Die Strecke nach Vladivostok zieht sich - huegelig und bei schoenem Wetter sicher nicht ohne Reiz, zehren Regen und der zunehmend boeige Wind sehr an unseren Nerven.

Aber wir freuen uns - auf Vladivostok, DAS Ziel am Pazifik , das Tor zum Osten.

Bewusst haben wir nicht jedes Ortsschild unterwegs fotografiert- aber dieses Schild haben wir mit einem wunderschoenen Entwurf im Kopf und wir werden dieses Bild machen - egal , wie es schuettet. Unsere anfangs der Tour noch sehr regendichten Kombis von Polo haben laengst den Kampf gegen die Wasser - und Schlammeinschlaege aufgegeben. Einzig unsere Held-Jacken und Hosen halten uns dank der einzipbaren Membranen trocken und warm. Gore-Tex-Handschuhe und Socken tun den Rest zuverlaessig und sind ein Muss fuer diese Breiten. Wir funken uns die eine oder andere Aufmunterung unter den Helm und irgendwann gegen halb neun abends sehen wir durch die verregneten Visiere ein Schild : VLADIVOSTOK 10 KM

Die letzten Kraefte werden frei, Regen und Sturm werden zur Nebensache, als die Natur gnadenlos zuschlaegt. Es gibt Dinge im Leben, die sind nicht planbar, nicht kalkulierbar, und auch im Nachhinein nicht vermeidbar - der hier schreibt ist einfach froh und dankbar, trotzdem noch am Leben zu sein.

Alles was ich ( Baba) jetzt hier schreibe(n darf ) , entstammt den Erzaehlungen von Hombre und meiner unendlich fantastischen Helfer Paulina und Ruslan, Friedrich, Julya und etlicher anderer russischer Bikerengel - und es ist wahr !

Ich selbst weiss von den folgenden 2-3 Tagen nichts mehr !

Es passiert nicht mal mehr 1 km vor dem Ortsschild von Vladivostok .

Hombre faehrt mit ausreichendem Abstand kurz hinter mir, als er von der rechten Strassenseite schemenhaft einen 20 cm dicken Baumstamm auf die Strasse in meine Richtung stuerzen sieht.
Den Zerstoerungen an meinem Helm und der linken Schulter meiner Jacke folgend trifft mich der Stamm bei ca 80 km/h am Schaedel, und es ist einzig mein Held-Helm, der mir das nackte Leben rettet. Mein Bike stuerzt ungebremst nach links, stellt sich quer und überschlägt sich auf die stark befahrene Gegenfahrbahn.

Rechter Koffer, Koffertraeger, Lenkerendgewichte und Griffheizung werden fast komplett zerlegt . Ich selbst werde durch den Einschlag des Baumes bewusstlos nach hinten weggeschleudert.

Hombre weicht dem Baum aus und startet die medizinische Erstversorgung bei mir - was fuer ein Horror muss es fuer ihn gewesen sein, seinen ueber fast 5 Minuten bewusstlosen besten Freund am Strassenrand liegen zu haben.

Ihm zu Hilfe eilen die ersten Autofahrer, die auf der Gegenseite vor mir gebremst haben :
Ruslan und Paulina - 2 russische Biker, die mich zusammen mit Hombre in ihrem Auto versorgen und mir die nassen Klamotten ausziehen, waehrend Hombre sich um die Medizin kuemmert. Nach 30 Minuten erscheint ein Rettungswagen , der mich anschliessend in die Neurochirurgie des Stadtkrankenhauses in Vladivostok einliefert - meine Erinnerung an Gesichter und Tatsachen beginnt schemenhaft ca anderthalb Tage spaeter wieder.

Noch waehrend ich abtransportiert werde, starten diese wunderbaren russischen Menschen ein Hilfsnetzwerk ueber sms, informieren in kuerzester Zeit ueber 150 Biker von meinem Unfall und kuemmern sich mit Hombre um mein Bike und mich.

Russian Samurai, Prodrochki Bikers und Iron Tigers stellen mein Bike in Ihrem Clubgelaende unter , quartieren Volker bei Andrej Nickname"Friedrich" in der Wohnung ein, und schon am naechsten Morgen beginnen die Jungs eine dermassen geniale Reparaturaktion inclusive Schweissen meines rechten Alukoffers und tausend anderer Arbeiten, dass die Boxengasse der Formel 1 hier noch jeden Tag etwas lernen kann.
Und Ihr Krankenbesuch am naechsten Tag laesst mich vor Ruehrung kaum noch Worte finden.

Wahrend ich diese Zeit mit anfangs rasenden Kopfschmerzen in einem 6-Bett-Zimmer des Stadtkrankenhauses in der Neurochirurgie verbringe, laeuft Hombre auf allen Kanaelen auf Hochtouren.

Er repariert, organisiert, kuemmert sich um mich und beginnt sich um den Weitertransport der Bikes zu kuemmern, als absehbar ist, dass es mir wieder besser gehen wird.
Schaedel- und Halswirbelsaeulen-CT bleiben zusammen mit den Nativaufnahmen von Schaedel und Achsenskelett gottseidank ohne Nachweis von Frakturen oder Blutungen, so dass ich nach 3 Tagen, mit deutlicher Hilfe durch das Krankenhausessen, entscheide mich zu entlassen.

Ohne Zoegern werden wir in Friedrichs Wohnung untergebracht - er laesst es sich nicht nehmen, dass wir in seinem Bett schlafen muessen, waehrend er auf die Couch umzieht.

Die ersten 2 Tage ueberstehe ich nur mit heftigsten Kopschmerzen und jeder Menge Schmerzmitteln. Mein Kopf fuehlt sich an, als ob Bugs Bunny dem Koyoten wieder mal so richtig eine mit der Keule verpasst haette.

Während ich ernsthaft uber den Sinn meiner Greenpeace-Mitgliedschaft nachdenke, hat das Wort Schlagbaum fuer mich eine ganz neue Bedeutung bekommen ;-)

Was die Truppe um uns herum in den folgenden Tagen fuer uns organisiert, ist einfach von einer anderen Welt - vielleicht kennt der eine oder andere wirklich altgediente Biker in Deutschland oder der Welt so etwas noch - aber wir stehen vor einem taeglichen Wunder aus liebevoller Unterstuetzung, Hilfe, grenzenloser Geduld und selbstverstaendlicher Bereitschaft, einem Fremden und Unbekannten alles zu geben.

Wahrscheinlich ist es genau das, was Islam, Christentum, Buddhismus, Judentum, Taoismus,Hinduismus und viele andere Weltreligionen in ihrem tiefsten und innersten Kern gemeint haben:"Liebe Deinen naechsten wie Dich selbst."

Jobs werden tagelang aufgeschoben, selbstaendige Bauunternehemr fahren den ganzen Tag mit uns durch den chaotischen Verkehr Vladivostoks, um den Transport unserer Bikes und von uns selbst mit uns gemeinsam zu organisieren. Zwischendrin werden wir bekocht, zur Stadtrundfahrt gebeten, Samstag ist Hombre Gast auf einem Bikerfestival und nach und nach beginnen alle unsere Probleme sich zu loesen.

Seit wir Sibirien und den Fernen Osten betreten haben fahren wir wie unter einem riesigen Bikerschutzschild - wir sind uns sicher, dass wir an keiner Stelle dieses fantastischen Landes laenger als eine halbe Stunde auf die Hilfe russischer Biker warten wuerden - selbst in Kamtschatka haben uns die Jungs schon angemeldet !

Wenn alles klappt, werden wir am Mittwoch hoffentlich die Bikes nach Seoul in Suedkorea fliegen, von wo aus wir dann hoffentlich mit der Hilfe von Wendy Choi im Laufe der Woche nach Alaska uebersetzen werden - zur Zeit ist alles noch im Fluss, morgen werden die Entscheidungen fallen und sobald wir neues wissen, werden wir es berichten. Mir geht es deutlich besser, Helm und sonstige Schaeden sind ersetzbar und heute abend machen wir eine kleine Geburtstagsfeier.

Vielleicht kann ja mal ein unterbeschaeftigter Statistiker ausrechnen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist , von einem Baum auf dem Bike getroffen zu werden im Verhaeltnis zu einem Lotto-Sechser ?




Was wir aber jetzt bereits sicher wissen - wir haben zwischen
Kemerobo und Vladivostok die fantastischsten Menschen
mit den groessten Herzen der Welt kennenlernen duerfen -






THANK YOU - SPASIBA
ALL OUR

RUSSIAN FRIENDS AND HELPING ANGELS !
YOU ARE WONDERFUL PEOPLE !







Und wir wuenschen Russland, dass es diese Menschen
und Ihr Herz niemals verliert !






Zutiefst dankbar


(auch fuer alle Euren lieben und guten Wuensche aus Deutschland und der Welt)






Hombre und ganz besonders BABA











Lebensretter Held Takato