Samstag, 19. Juli 2008

Mittwoch , 9. Juli bis Sonntag 13. Juli " Does iss die loengste und boeschiisoenstoe Stroassn, die woas I auf doera goanza groassn Woeld gfoan bin " .



Obiges Zitat im herrlichen Wienerisch laesst Felix Bergmeister spontan heraus, als wir ihn auf dem halben Weg der Strecke von Tschita nach Chabarowsk bei stroemendem Regen auf seiner BMW 800 GS treffen. Seit fast 2 Jahren ist er unterwegs und kennt die Pisten dieser Welt, wie auch wir etliche davon in der Vergangenheit unter die Raeder genommen haben.
Mehr Infos von Felix unter http://felix-bergmeister.at/

Tschita- Chabarowsk ist ein Mythos, sie zu beschreiben geht kaum passender , als Felix es oben getan hat. Wie anders haette er sich wohl noch geauessert, wen er gewusst haette, wie lange es noch so und vor allem noch schlimmer weitergeht !?

Wir sind fast 5 Tage unterwegs, bis wir Sonntags spaetabends in Chabarowsk ankommen.
Auf dem Weg dorthin, erleben wir fast alles, was "Strassen" schwierig und gefaehrlich macht - im Guiness-Buch muss die Piste als mit fast 2000 km laengste und uebelste Baustelle der Welt irgendwo zu finden sein.
Am Anfang beginnt die Strecke erstmal zum Eingewohnen mit einer Art Panzeruebungsgelaende, welches aber nach kurzer Zeit von einer verfuehrerisch lauschigen Teerstrasse abgeloest wird. Schon kurz darauf macht die Piste aber ernst!

Das wir die Strecke Richtung Osten fahren hat 2 wesentliche Vorteile.
Uns entgegen kommen in grosser Anzahl Autoschieber und Transporter mit japanischen PKWs, die als junge Gebrauchte auf dem russischen MArkt sehr begehrt sind. Ihre Fahrer sind meist allesamt juengere Russen, die sich diese Gewalt-Tour fuer eben diese Gewinnspannen regelmaessig geben, und jeder auf dieser Strasse hilft dem anderen, wenn er liegen bleibt.
Die Jungs schlafen die komplette Tour groesstenteils auf den Sitzen, sind dabei aber total freundliche und nett neugierige Zeitgenossen, die immer Musse fuer ein kurzes Gespraech ueber woher und wohin haben. Dass wir freiwillig auf dieser Route unterwegs sind, verschafft uns viel Respekt und Anerkennung bei ihnen, und wir werden langsam zum Teil dieser Strassencommunity.
Da wir nach Osten fahren, versinken wir "nur wenige Minuten" in den Kilometerlangen undurchsichtigen Staubfahnen, die die Autokarawanen und LKWs hinter sich herziehen. Der Staub ist wie ein komplett undurchsichtiger Nebel und dringt in Kombination mit schwarz-dichtem Dieselruss in jede kleinste Ritze vor.
Wir sind froh, unsere Luftfilter frisch geoelt zu haben , so dass uns nur die Augen permanent brennen. Wuerden die Transporte in unserer Richtung rollen, wuerden wir viele Stunden mehr in diesen Staubfahnen verbringen muessen.
Der zweite Vorteil unserer Ostrichtung ist, dasss wir notfalls einen der wenigen leer zurueck nach Vladivostok fahrenden Taransporter bitten koennten, unsere Bikes mitzunehmen, falls unserer Ritzel doch uebermaessig frueh den Geist aufgeben sollten.
Babas Kettenoeler quittiert die Piste trotz Schaumstoffummantelung nach 2 Tagen mit gebrochenem Gehaeuse und faellt leider aus. Dadurch koennen wir den Kettenoeler nicht mehr aufdrehen, um den Sand und Dreck aus der Kette schleudern zu lassen, der im Restfett der Kette haengenbleibt.
War bisher Hombres Ritzel das Problem, so setzt jetzt parallel dazu ein massiver und rapider Zahnausfall an Babas Kettenrad ein.
Verschoent wird das ganze Szenario durch eine Strasse, die in regem Wechsel alles bietet, wovor Bikern graut :
  • Tiefer Spurrillensand wechselt mit schlammigen Wasserdurchfahrten, unberechenbar tiefe Schlagloecher werden noch unberechenbarer, als es am zweiten Tag anfaeng zu schuetten.
  • Teilweise sehr grosse spitze Reifenschlitzersteine wechseln mit tiefen, losen Geroellfeldern
  • Spurrinnen von teils 40 cm Tiefe im ehemaligen Restasphalt wechseln sich mit fluessigen Teerbereichen, die die durchaus aktiven Strassenbauer neu aufgebracht haben, bis einnem der lose Teer wieder ins voellig verdreckte Visier fliegt.
  • Wellblechpisten koenen anders als in Afrika nie mit Highspeed ausgefahren werden, da immer wieder tiefe Loecher in den durch die extreme Kaelte aufgefrorenen ehemals geteerten Bereichen das Wellblech unterbrechen - hier mit 100 hineinzufahren ware der sichere Sturz und Tod der Gabel.
  • Viele Passagen werden durch Schlamm, Sand und Schotter extrem schluepfrig und glatt, jeder Meter der Piste verlangt komplette Konzentration, viele Passagen sind nur noch im Schritt fahrbar, ohne die Maschinen komplett zu schrotten.
  • Getoppt wird das ganze dann in den Pausen und selbst beim Fahren durch die ueblichen Mosquitoangriffe - aber auch hier gibts ein neues Highlight ! Diese Moerderbremsen werden jetzt unuebertrieben 4 cm gross und fliegen bei 80 km/h hinten auf unseren Jacken mit, um dann beim naechsten Stop blitzartig zuzuschlagen. Das die Biester dazu noch rasend schnell sind, macht es nicht wirklich einfacher.
Wir zelten unterwegs und haben laengst alle Gedanken an Woelfe oder Baeren verdraengt, in Anbetracht dessen, was diese Piste zu bieten hat. Trotzdem ist es, als ob man in die Familie dieser Pistenfahrer langsam integriert wird, je weiter man kommt - und umso groesser wird der Respekt der den Bikern entgegengebracht wird.
Wir treffen mehrere Leidensgenossen auf dem Weg : Als Baba gerade mit Hombres erstem Platten unterwegs zum Reifenflicker ist ( endlich wissen wir auch , was die Schilder "Schinomontasch" bedeuten ), treffen wir auf dem Weg einen russischen Biker mit Freundin auf einem kleineren Chopper - seine bisherige Bilanz : 2 Platten, eine gerissene Kette und ein massiv oelendes Federbein stimmt uns nur bedingt optimistisch.
Dafuer ist Hombres Platten mit 34 km Anfahrt incl. Reparatur in rekordverdaechtigen 45 Minuten zurueck - eine scharfe Metallplatte hatte sich in durch die superstabile Karkasse unseres Conti in den Schlauch gearbeitet- das konnte kein Reifen der Welt abhalten. Mit unserem Ersatzschlauch ist das ganze schnell repariert, der Reifenpilot von Hein Gericke hatte uebrigens komplett versagt , obwohl neu gekauft.
Was dagegen die Ausruestungen bis hierher ausgehalten haben ist schon sagenhaft : Allen voran Conti und WP , aber eben auch Baehr-Funkanlagen, die Heldklamotten, unsere Helme und Stiefel, die Touratech-Teile und hier speziell die Traeger,die Spanngurte und schlafsaecke von Daerr, die Kettenoeler und auch die Pentax-Kameras und unsere Ortlieb-Taschen! Es ist kaum zu glauben, dass das alles noch funktioniert !

Als naechstes treffen wir Jim Balz auf seiner 1150 GS Adventure, einen sehr lieben und interessanten Amerikaner. Jim ist US-Army-Chirurg im Ruhestand, arbeitet noch fuer Aerzte ohne Grenzen und hatte chirurgischen Dienst auf dem US-Flugzeugtraeger , von dem der unselige zweite Irak-Krieg gestartet wurde - nicht ohne dass er seine kritische Meinung darueber anschliessend seinem Praesidenten George Bush und Condoleeza Rice beim anschliessenden Truppenbesuch der Obrigkeit beim Captains Dinner mitgeteillt haette - leider hat auch er nichts an der Geschichte aendern koennen.
Nach Felix treffen wir noch Marian und Wadna aus Tschechei und Slovakei auf ihren 1200 GS Adventure-Bikes, und lauschen gespannt Marians News aus Alaska, von wo er gerade ueber Suedkorea eingeflogen ist. Bisher haben wir noch keine Bestaetigung fuer unseren Flug mit Vladivostok Air und werden etwas unruhig, ob der Preise, die Marian uns nennt. Mehr von ihm unter http://www.footprint2008.com

Asl Mindestausruestung fuer diese Piste sind Ersatzschlaeuche und Flickzeug zu empfehlen, die Reifenmontage koennt ihr getrost den zahlreichen Profis am Strassenrand ueberlassen, die es besser und schneller koennen und sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Als wir am Abend des fuenften Tages im Regen in Chabarowsk ankommen, trauen wir unseren Augen nicht.
Waehrend wir in einer Tankstelle anhalten, um zu beraten, wie es weitergeht, bildet sich in kuerzester Zeit ein Empfangskommitee aus 10 Bikern der Iron Tigers in Chabarowsk.
Nicht nur, dass uns die Jungs unsere ersehnten Ritzel als DHL-Paket in die Hand druecken (Nocheinmal ganz herzlichen Dank an Shem, Irina, Nikolay, Julya und Frau Wagner vom ADAC Deutschland - den wir Euch hiermit nocheinmal sehr ans Herz legen wollen - der Service ist Spitze) -

Nein - sie eskortieren uns zuerst in eine Unterkunft, machen anschliessend ein Stadtrundfahrt mit uns und geben keine Ruhe, bis sie ein offenen Restaurant fuer uns gefunden haben, wo wir gemeinsam noch feiern koennen.

Das sie am naechsten Morgen noch Babas eingezogene Kreditkarte aus dem russischen Bancomat zaubern ( Achtung - nach 20 sec ohne Eingabe erfolgt automatisch der Einzug, und die russische Warnung war leider nur schwer lesbar fuer unsereinen) und uns bis zum Stadtrand eskortieren, um uns den Weg zu zeigen, ist nicht nur unglaublich, sondern wie ein Maerchen aus dem Bikerhimmel !



Wir duerfen die wunderbarsten Menschen auf einer Reise treffen, auf der uns so viele vor eben diesen Menschen gewarnt hatten. Mafia, Korruption, Mord und Totschlag, Betrunkene an jedem Eck - wie duester wsren die Bilder, die man uns von diesen Menschen gezeichnet hat .

Mein alter Geografielehrer hatte uns nicht zu unrecht einen Satz gelehrt :
"Wer seine Heimat nicht kennt, hat keinen Masstab fuer fremde Laender."
Wir moechten diesen Satz mittlerweile ergaenzen :
"Wer fremde Laender nicht kennt, sollte seine Heimat nicht zum Masstab machen."

Wer das Glueck erleben darf, diese Menschen in Sibirien und im fernen Osten zu treffen, der wird es als Glueck erkennen.

MAKTUB - Folge den Zeichen !

Gute Nacht fuer heute - und schon an dieser Stelle im voraus : Der naechste Blog wird es richtig in sich haben, kann evtl. aber wieder ein paar Tage dauern.

Hombre und BABA