Zurück von Novosibirsk beginnt eine lange Zeit des Wartens. Ich verbringe einen guten Teil der Zeit im Internet-Cafe, schreibe mails an WP und alle möglichen Helfer zuhause, um dann wieder in unserem kleinen Appartment mit Claus Hein von WP zu telefonieren. Dazwischen zu Irina, klären ob unser neues Federbein irgendwo im russischen Postsystem aufgetaucht ist. So oft ich kann, gibt es einige Updates im Blog. Mit dem Hochladen der Bilder bin ich sehr zurückhaltend - zu viele Viren und Trojaner lauern in diesen Internet-Cafes . (Was übrigens kein russisches Phänomen ist - gebt acht , was ihr in solchen Internetcafes tut - Online-Banking und sensible persönliche Daten sollten tabu sein ).
Mit jedem Tag des Wartens wird es wahrscheinlicher - unser Federbein ist bis Moskau mit Expresspost gelaufen - und seitdem unauffindbar mit der russischen Normalpost irgendwo auf einem Zugwaggon in den Weiten Sibiriens verschollen. Ein Fehler der deutschen DHL-Agentur - den wir nicht mehr ändern können. Einen Teil unseres Frusts erledigt die Bierbar auf der anderen Seite der Strasse . Zusammen mit John hilft das sehr gute russische Bier auch ihm, auf seine seit fast 2 Wochen ausstehenden Teile aus Hongkong zu warten. Mit jedem Tag des Wartens laufen wir Gefahr , in Schnee in Sibirien oder Alaska zu geraten. Zu viele Unbekannte liegen vor uns, und Andreas Hülsmanns Geschichte vom Schnee am Baikalsee steckt tief in unseren Hinterköpfen. Das mongolische Altai und die Mongolei sind nur mit absokut intaktem Federbein möglich - und wir fast 2 Wochen hinter unserem Zeitplan- aber genau das ist der Preis, wenn man in diese Ecke der Welt fahren will...
Am wunderbarsten sind aber einfach nur unsere russischen Bikerengel : Shem , Irina, Alexej, Andrej, Nicolaj, Julya und viele mehr: Jeden Abend werden wir angerufen, ob alles ok ist, zum Grillen, Feiern oder zur Stadtrundfahrt abgeholt. Das alles mit einer Herzlichkeit, die in mir langsam eine Freude über diese Zwangsstop aufkommen läßt, die mit jedem Tag wächst, den wir mit diesen wunderbaren Menschen verbringen.
Die Einladung zum nächsten Biker-Fest in Novokuznetsk steht schon , als unsere russischen Freunde für das naechste kleine Wunder sorgen !
"Taschkent" der ehemalige Cross-Profi und Meister aller russischen Fahrwerke, hat mit unglaublicher Geduld und Sorgfalt BABAs Federbein wieder repariert. Er hat ihm von Hand eine neue Aufnahme gedreht, mit der Baba zwar ohne Gepäck, aber zumindest langsam FAHREN kann .
Für das nächste kleine Wunder sorgt WP Deutschland - die Jungs wollen einfach, dass wir es schaffen ! Ohne auch nur zu fragen bauen sie uns ein neues Cross-Federbein zusammen und schicken es nochmal los - kein Wort von Bezahlung . Über einen befreundeten Uhrmacher in Moskau soll es innerhalb einer Woche in Kemerobo ankommen - wenn der Zoll mitmacht !
Wir beschliessen, die Zeit zu nutzen und planen einen kleinen Ausflug ins russische Altai-Gebirge bis zur mongolischen Westgrenze - 2500 km mit superweichem Federbein -ohne Gepäck, das Hombre zu großen Teilen übernimmt. Als wir unsere Route fast schon geplant hatten, kommt Shem vorbei - und spricht die legendären Worte :
"SHEM presenten beautiful Marschroute ! "Danach nimmt er sich den ganzen Abend Zeit , uns die schönsten Strecken zu suchen, uns jede Kreuzung bis ins Detail zu beschreiben und vor allem: Wie wir hinterher wieder zurückfinden zum großen Bikefestival in Novokuznetsk.
Auch wenn es nicht das Originalfahrwerk ist : We are back on the road again !
Die Strecke ins Altai war genauso schön wie Shem sie uns beschrieben hatte - oestlich von Gorno-Altajsk wird sie zum Traum aus Landschaft, Kurven und den Menschen des Altajs - die uns mit Ihrer offenen Gastfreundschaft wieder und wieder verzaubert haben. Es würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, alle kleinen Anekdoten und Erlebnisse wiederzugeben. Deswegen sollen neben den Bildern zum Blog zwei menschliche Highlights für all anderen wunderbaren Erlebnisse stehen. Ich bin mir nicht sicher, wieviele Jahre ich in Deutschland leben muß, um die positiven Erlebnisse einer Woche im Altai haben zu dürfen. Auf unserem Weg von Gorno-Altaijsk nach Tashanta im Osten bis zur mongolischen Westgrenze fällt mir auf dem Hinweg ein einsam auf einer Wiese stehender Helicopter der Roten Armee auf . Da Hombre ihn nicht sieht, fahren wir weiter durch das satte Grün der Hänge, welches vom schroffen Schwarz der Bergketten des Altais ebenso jäh wie malerisch abgelöst wird. Im Tal läuft eine recht ordentliche Teerstrasse parallel zu den natürlichen Meandern des Ortolyk. Ein Kurvenparadies - wie immer aber auf russischen Strassen können plötzliche Baustellen, tiefe Krater , allerlei Viechzeug , aber genausogut eine Polizeikontrolle für Überraschungen sorgen.Wir erreichen Tashant am dritten Tag spät abends - ein trostloser Ort auf einem malerischen Hochplateau gelegen , umgeben von den schneebedeckten 4000ern des Altaigebirges- zumindest sehen wir diese Landschaft kurz am nächsten Morgen, als sich der Hochnebel kurz lichtet und die Sonne sich für einige Minuten ihren Weg durch die eiskalten Nebel bahnt. Kinder hatten uns in der Nacht den Weg zu einer sehr einfachen, aber beheizten Unterkunft gezeigt.
Das Eis auf den Mopeds am nächsten Morgen sollte uns recht geben, daß wir auf unser Zelt verzichtet hatten. Bei aller Einfachheit - der Fernseher durfte auch hier nicht fehlen. Manchmal ist es faszinierend, den Siegeszug von Fernseher und Mobiltelefon um die Welt zu verfolgen. Ob es gurt ist , ist ein eigenes Thema.
Wie gerne wären wir morgens einfach weiter in die Mongolei gefahren wie geplant - aber mit einem Fahrwerk wie ein "Roller" ist sowas halt kein Thema ( gell ihr Rollerbuben :-) )
Na ja - soooo schlecht wie ein "Roller" war es selbst ohne Öl und Gas im Dämpfer nicht ...
Der Weg zurück nach Gorno-Altaijsk verwöhnte uns mit deutlich mehr Sonne - und dann stand er plötzlich wieder links vor uns : Der Helicopter der Roten Armee !
Babas Neugier siegte über die Bedenken, einfach mit dem Moped auf einen Heli der Roten Armee zuzufahren. Kaum hatten wir uns genähert , kam auch schon der erste Uniformierte auf uns zu . Wir konnten noch nicht mal mehr die Zündschlüssel abziehen - so schnell ging dann alles !
Erst ein freundliches Lachen, dann das übliche " Woher -und wohin" und Palaver mit Händen und Füßen , bis der Pilot des Helis unserem Freund Lt. Valentin grünes Licht gab, daß wir IN den Heli dürften. Während wir also baßerstaunt in einen Hubschrauber der Roten Armee klettern , um mit dem ehemaligen "Feind im Osten" - was für ein Schwachsinn alter seniler Männer !) über Technik zu fachsimpeln, wirft der Pilot plötzlich die Triebwerke an !!!
Der Lärm ist ohrenbetäubend. Unsere Bikes stehen mit Zündschlüssel und allen Wertsachen weit weg - und wir überlegen , ob wir jetzt gleich auf Patrouille an der mongolischen Grenze fliegen.
Die nachlassende Drehzahl des Rotors löst unser Problem - er war nur ein Triebwerkstest. Mit breitem Grinsen steigen wir wieder aus dem Heli : Hombre und Baba im Wind-of-change-Helicopter - wer von uns hätte das 1989 geglaubt , als die Scorpions ihren Song herausbrachten.
Спасибо Valentin
Valentin begleitet uns noch in die kleine Stadt in der Nähe zum Essen, und zeigt uns anschliessend noch eine 40 km lange , malerische Dirtroad zu einem kleinen Bergsee, die wir nicht verpassen dürften.
Gerne wären wir länger geblieben- aber wir haben Shem versprochen, als seine "Mad-Deutsch-Bikers" zum Fest am Ende der Woche zu kommen . Alles würde uns einfallen - aber nicht , Shem zu enttäuschen.
Die Strasse fürt uns malerisch am Fluß entlang zurück nach Gorno-Altaijsk. Spät abends finden wir einen Platz in einer einfachen "Gastinicca". Irgendwie wollen wir denn Staub des Tages noch gerne mit einem Bierchen runterspülen, und laufen los Richtung Stadt. Man gewöhnt sich schnell an russische Öffnungszeiten - fast immer hat noch spät nachts ein oft kleiner Laden geöffnet. Als wir eintreten, beginnt wie so oft spontan eine Unterhaltung mit den Menschen im Laden - Ein freundlich lächelnder Russe spricht mir plötzlich ins Ohr :
" Du kommen zu mir nach Hause" .
Es ist halb 12 nachts und wir bekommen gerade wieder eine Lektion in Gastfreundschaft. Sergej ist mit seiner Frau Irina und seinen Töchtern Ksenija und Angelina beim Einkaufen - wer von diesen Menschen eingeladen wird , darf sich glücklich schätzen ! Allen Beteuerungen usererseits zum Trotz, dass wir am naechsten Morgen früh weitermuessten : Sergej kauft richtig groß ein, und lässt es sich nicht nehmen, uns nach einem fürstlichen Mahl in seinem wunderschönen Haus nach einer herzlichen Verabschiedung morgens um drei die 20 km bis zu unserer Unterkunft zurückzubegleiten. ...und das Sergej den Abend noch mit seiner Bluesgitarre verzaubert hat - hatte ich das schon erzählt ?
Diese Menschen sind ein Traum !
Спасибо Sergej, Irina, Ksenija, Angelina
Im nächsten Blog gibt es die Highlights des Bikefest von Nvokuztnetsk -und was für welche !
Gute Nacht für heute !
BABA